Erkrankungen am Auge
Veränderungen im Bereich des Auges beim Marfan-Syndrom (MFS) sind von großer Relevanz. Laut aktueller Studien haben 73% der MFS-Patient:innen über 50 Jahre Augenveränderungen, insbesondere eine verlagerte Linse. Ca. 10% der Personen, die mit dem Verdacht auf MFS eine spezialisierte Marfan-Sprechstunde aufsuchen, wurden aufgrund von Augenveränderungen überwiesen.
Augenveränderungen im Rahmen eines MFS werden hauptsächlich in der Linse, der Hornhaut und der Netzhaut beobachtet.
Die Verlagerung der Linse (Ectopia lentis) ist eine sehr typische Veränderung bei MFS und tritt nur sehr selten bei anderen Pathologien auf. Kein anderes Kriterium für die Diagnose ist so spezifisch. Deshalb ist sie ein wichtiges Anzeichen für das MFS.
Bei jeder Person mit MFS oder bei Verdacht darauf ist eine augenärztliche Untersuchung notwendig. In unserer Sprechstunde werden standardgemäß ein Sehtest sowie eine Untersuchung an der Spaltlampe, die Messung des Augeninnendruckes, der Hornhautverkrümmung und der Augenlänge durchgeführt.
Von den Augenkriterien für die Diagnose von MFS ist die Verlagerung der Linse das einzige Hauptkriterium. Nebenkriterien sind die Abflachung der Hornhaut, die axiale Verlängerung des Auges und die mangelhafte Ausbildung der Regenbogenhaut. Eine Augenbeteiligung ist gesichert, wenn mindestens zwei Kriterien erfüllt sind.
Eine Verlagerung der Linse wird bei 50% bis 60% der Marfan-Patient:innen beobachtet. Diese kann ein- oder beidseitig auftreten, am häufigsten nach außen und nach oben. Die Verlagerung kann minimal bis komplett in der Vorderkammer oder im Glaskörper auftreten und kommt sehr oft bei MFS vor, weil der Aufhängeapparat der Linse besonders reich an Fibrillin ist. Begleitend werden häufig ein Linsenschlottern und ein Irisschlottern festgestellt.
Eine Linsenverlagerung wird von Kindern oft nicht bemerkt und kann schnell zu einer Schwachsichtigkeit führen. Daher sollte die Sehfunktion immer einäugig auf Veränderungen getestet werden. Bei Säuglingen und Kleinkindern sollte die einäugige Fixation eines Objektes kontrolliert werden, sowie auf Schielstellung der Augen geachtet werden. Eine verlagerte Linse soll nicht immer operiert werden, nur wenn diese Verlagerung einen optisch nicht korrigierbaren Brechkraftfehler verursacht oder wenn Patient:innen Beschwerden wie Sehminderung oder Doppelbilder haben. In diesem Fall wird die eigene Augenlinse entfernt und durch eine nahtfixierte Kunstlinse ersetzt.
Bei einer anormalen Abflachung der Hornhaut kann sich eine Stabsichtigkeit entwickeln. Als Folge eines verlängerten Augapfels kann das Auge kurzsichtig werden. In beiden Fällen ist ein Ausgleich mit einer Brille oder Kontaktlinsen erforderlich.
Andere Befunde, die im Rahmen eines MFS häufiger auftreten sind die frühzeitige Entwicklung einer Linsentrübung (Grauer Star), der Grüne Star, eine Netzhautablösung und eine kugelige Augenlinse.
/Dr. Callizo, Universitätsaugenklinik Freiburg